Wir fordern: Hisst die Regenbogenfahne in Oberkrämer #IDAHOBIT

Was ist queer? Was ist LGBT? Und was interessiert uns das in Oberhavel?

In diesem Artikel geht es um „Toleranz für Anderssein“ und darum, wie wichtig es ist, dass wir andere so wertschätzen und respektieren, wie sie sind. Und als Zeichen für diese offene Haltung, die das Miteinander Leben so viel freundlicher und gesünder macht, fordern wir, dass die Gemeinden Oberkrämer und Leegebruch – wie so viele andere auch – am 17. Mai 2021 die Regenbogenfahne hissen.

Doch von vorne:

Das englische Wörtchen „queer“, auf Deutsch „seltsam, komisch“ hat eine lange Geschichte. War er zunächst als Schimpfwort gedacht für Menschen, die nicht in die Schublade der heterogenen Geschlechternorm passten, so ist es heute ein Titel, den betroffene Personen selbst wählen, um mit Stolz ihre Zugehörigkeit zu dieser Gruppe zu verdeutlichen. LGBT kommt ebenfalls aus dem Englischen und steht für „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender“ (also „lesbisch, schwul, bisexuell, transgender“).

Es geht also um Menschen, die anders lieben oder sich anders fühlen als die meisten. Und darum, dass Menschen, die sich dazu zählen, immer noch ausgegrenzt, ausgelacht, benachteiligt oder sogar angefeindet werden. Oft an ganz alltäglichen Orten, wie in der Schule, in Fußgängerzonen, in der Bahn oder bei Sport und Freizeitaktivitäten.

Ja, und gerade bei uns auf dem Land! In Berlin mag die Toleranz bei den meisten Menschen inzwischen Einzug gehalten haben, doch auf den Dörfern wird noch immer hinter vorgehaltener Hand getuschelt oder offen verhöhnt. Gerade junge Menschen leiden darunter besonders. Die Selbstmordrate von queeren Jugendlichen ist im Vergleich zu heterosexuellen Gleichaltrigen um das Vierfache erhöht.

Dies zeigt eine Umfrage, die von Falk Steinborn, Journalist und Mitglied im Jugendzentrum anyway, im Sommer 2019 unter queeren Jugendlichen gestartet wurde. 58 Prozent der Befragten wurden demnach wegen ihres Coming-out gemobbt. Ein Viertel hat sogar wegen ihrer sexuellen Orientierung bereits körperliche Gewalt erfahren, die meisten durch Fremde und Mitschüler*innen, aber etwa 25 Prozent auch durch ihre Eltern. Fast jede*r dritte der Jugendlichen hat bereits an Selbstmord gedacht, 17 Prozent haben schon versucht, sich umzubringen. Die Daten decken sich mit anderen Studien. Laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts haben sogar 82 Prozent der befragten lesbischen, schwulen oder bisexuellen und 96 Prozent der Trans* Jugendlichen Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Zugehörigkeit erlebt.

Wir Grüne wollen, dass alle Jugendlichen unabhängig von ihrer sexuellen/geschlechtlichen Identität ein Recht auf individuelle Förderung und bestmögliche Bedingungen zur Persönlichkeitsentwicklung haben. Wir fordern eine bundesweite Aufklärungskampagne, die in jugendgerechter Form über die Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten informiert sowie bezüglich Homo- und Transphobie sensibilisiert. Geschlechtliche Vielfalt und Diversität müssen sich in den Lehr- und Bildungsplänen für Schulen und die frühkindliche Bildung wiederfinden und auch in Schulbüchern sollten verschiedene Lebensformen als „normal“ dargestellt werden.

Und als Zeichen dafür, dass unsere Gemeinde mit guten Beispiel voran geht, möchten wir, dass am 17. Mai die Regenbogenfahne vor unserer Gemeindeverwaltung gehisst wird. Wir – die Grünen im Gemeinderat – fordern dies schon seit Jahren. In den letzten Jahren waren wir mit diesem Gedanken noch recht allein.

Warum der 17. Mai? Vor 30 Jahren, am 17. Mai 1990, beschloss die Weltgesundheitsorganisation (WHO), Homosexualität von der Liste psychischer Krankheiten zu streichen. Seit 2005 wird daran weltweit mit einem Aktionstag erinnert, um auf anhaltende Diskriminierung aufmerksam zu machen: Der „Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie bzw. -feindlichkeit“ (englisch: International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia, kurz IDAHOBIT).

Im letzten Jahr wehte die Regenbogenflagge unter anderem vor dem Europäischen Parlament in Brüssel, vor dem brandenburgischen Landtag, vor den meisten Berliner Rathäusern… Es gab Aktionen vor dem Reichstag und in vielen Deutschen Städten, die für Vielfalt und Toleranz standen, denn der Regenbogen ist ein überparteiliches und weltweit anerkanntes Symbol des Friedens, der Toleranz und der hoffnung. Grundwerte, zu denen sich alle demokratische Parteien uneingeschränkt bekennen.

Um in diesem Jahr die Diskussion im Gemeinderat Oberkrämer auf einer sachlichen und fachlich fundierten Ebene zu führen, haben wir – gemeinsam mit unseren Faktionspartner*innen – einen Fachreferenten der Landesstelle Tolerantes Brandenburg, Jirka Witschak, eingeladen. (mehr zu Jirka Witschak). Er hielt einen eindrücklichen Vortrag im Sozialausschuss, in dem er dazu aufrief, für Aufklärung und Toleranz zu werben. Er stellte den Gemeindevertreter*innen die Situation betroffener Personen in unserem Landkreis dar und erläuterte, warum das Hissen einer Fahne ein geeignetes Mittel darstellt, Solidarität zu bekunden. Auch betonte er, dass die Regenbogenfahne nicht Zeichen einer bestimmte Partei oder Glaubensrichtung sei, sondern völlig übergeordnet von jedem zu verwenden. Sie widerspräche auch nicht dem Flaggengesetz, jeder sei völlig frei darin, diese Flagge zu hissen.

Zu unserer Freude schlossen sich nun einige Fraktionen dem Vorhaben an. „Worüber diskutieren wir eigentlich? Das muss doch selbstverständlich sein…“ war nur einer der Kommentare (nicht von uns Grünen). Im Sozialausschuss voteten am Ende 4 für die Fahne, aber immer noch 3 dagegen.

Die Entscheidung geht nun in den Hauptausschuss – wir hoffen!

Die Regenbogenfahne ist zwar einerseits ein queeres Symbol, aber vor allem ist sie ein Zeichen für Frieden und Toleranz. Und sie richtet sich nicht nur an all die in unserer Gemeinde, die sich mit dem Thema befassen, sondern vor allem ist sie auch ein Zeichen nach außen, dass wir als Gemeinde für Offenheit und Miteinander stehen. Nicht zuletzt auch ein dringend notwendiges Zeichen der Solidarität für queere Menschen in Polen, wo Oberkrämer mit Kotun eine Partnergemeinde hat. Mehr über LGBT in Polen

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