Werbung- Nein Danke!


Zum Autreten der Bundeswehr an Schulen

Gespannt verfolge ich die Diskussion um das von der Berliner SPD beschlossene Verbot von Bundeswehrsoldaten an den Schulen. Denn erst vor wenigen Wochen hat mich der Auftritt der Bundeswehr bei den Berufsorientierungstagen meines Kindes (10.Klasse) an seinem Gymnasium sehr verärgert. Mit Erstaunen und zunehmendem Schrecken habe ich den Erzählungen meines Sohnes vom „coolen Fitnesscheck“ der Bundeswehr im Rahmen dieser Berufsorientierung zugehört. Unter dem Info-Deckmantel wurde offensichtlich ein lustiger sportlicher Wettkampf inszeniert, die sachliche Information und die Einordnung des Berufes „Soldat/*in“ in einen gesellschaftlichen Kontext fehlten nach meiner Kenntnis weitgehend. Es ging schlicht und ergreifend um die Erzeugung einer positiven, energetischen Emotion und damit um „Werbung“.

Schon seit einiger Zeit fällt mir die Anwerbeoffensive der Bundeswehr in den digitalen Medien und im öffentlichen Raum auf und erzeugt Befremden und Unbehagen. An Bushaltestellen hängen Plakate und auf Youtube findet man Trailer der Bundeswehr häufig vor Filmen über Computerspiele- ein Genre, das sich insbesonder bei männlichen Teenis großer Beliebtheit erfreut. In Egoshooterästhetik und mit Slogans wie “ Ab März wird draußen gespielt!“ oder “ Bist du fit genug für diese Challenge?!“ spricht die Bundeswehr die Jugendlichen in anbiedernder Weise an. Dabei findet meiner Ansicht nach in dem Versuch der werbestrategisch durchdachten, emotionalen Einflussnahme auf eine sehr sensible Altersgruppe eine unverantwortliche Verharmlosung statt. Krieg ist kein Videospiel, Wehrdienst keine coole Challenge und die Bundeswehr kein Sportverein! Diese Darstellung ist der Schlag ins Gesicht all jener Menschen, die sich für den Dienst an der Waffe entschieden und damit eine immense Verantwortung übernommen haben. Und er kommt aus den eigenen Reihen.

Natürlich hat die Schule die Aufgabe, den Kids zu vermitteln, welche gesellschaftliche Rolle die Bundeswehr in unserer Demokratie spielt, welche Aufgaben sie übernimmt und welche geschichtliche Entwicklung zur heutigen Form unserer Armee geführt haben. Die Heranwachsenden müssen zudem eine realistische Einschätzung vornehmen können, welche Risiken und welche Verantwortung die Entscheidungen für eine Karriere bei der Bundeswehr mit sich bringt und genauso, welche beruflichen Chancen sich daraus ergeben können. Dies gilt für alle im Rahmen der beruflichen Beratung vorgestellten Arbeitsbereiche, aber bei einer Entscheidung für oder gegen den Dienst an der Waffe ganz besonders. Es darf nach meiner Auffassung nicht lediglich ein unreflektiertes Gefühl von „irgenwie ganz cool“ statt einer fundierten Beratung und Aufklärung zurückbleiben.

Ob zur Information im Rahmen des politischen, gesellschaftskundlichen oder ethischen Unterrichts die Anwesenheit eines Jugendoffiziers erforderlich sein kann, liegt in Brandenburg derzeit in der Verantwortung der einzelnen Schulen. Und dort ist die Entscheidung, Soldat*innen einzuladen an der richtigen Stelle, denn es muss pädagogisch und nicht politisch Sinn machen. Es bedarf keiner zusätzlichen Regelung, denn zur politischen Neutralität sind die Schulen ohnehin per Gesetz verpflichtet. Sichergestellt sein muss jedoch, dass die Soldat*innen in den Schulen objektiv informieren und nicht darauf aus sind, junge Menschen anzuwerben. Dies zu gewährleisten liegt in der Verantwortung der Bundeswehr und der einladenden Schulen.

Vor allem aber hat „Schule“ als staatliche Institution die Aufgabe, im Rahmen des Geschichtsunterrichts, der politischen Bildung sowie des Religions- und Ethikunterrichtes gemeinsam mit den Jugendlichen eine Wissens- und Wertebasis zu schaffen, auf deren Grundlage eine wohlbegründete Entscheidung getroffen werden kann. Mit der Schulbildung soll, so der staatliche Auftrag, auch eine gereifte Persönlichkeit einhergehen. Diese ist Voraussetzung für eine so schwerwiegende Entscheidung. „Soldat*in“  ist kein Beruf wie jeder andere, und jeder Mensch soll die Entscheidung für oder gegen den Wehrdienst aus freien Stücken treffen können.

Ich selbst bin Mitglieder einer Generation, in der sich junge Männer teils unter größten persönlichen Opfern dafür eingesetzt haben, dass in unserem Land niemand entgegen seiner ethischen, moralischen und normativen Werte zum Wehrdienst gezwungen werden kann. Mittlerweile ist der Dienst an der Waffe längst freiwillig und diese Entwicklung erachte ich als große Errungenschaft einer im Kern friedliebenden, demokratischen Gesellschaft. Unethisch ist es, Jugendlichen ein Bild von der Arbeit in der Bundeswehr vorzugauckeln, das nicht im Ansatz mit der Arbeitswirklichkeit dort zu tun hat.

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