Wer braucht schon einen Regenbogen?!

Vor einem Jahr fuhr ich mit einer Gruppe queerer* Jugendlicher zur Christopher Street-Day-Parade nach Berlin. Als wir an der Siegessäule standen und auf die riesige, bunte und fröhliche Menge der Tanzenden blickten, brach einer der Jungs plötzlich in Tränen aus. Auf die besorgte Frage, was passiert sei, erschien ein anfangs zögerliches, immer breiter werdendes Strahlen auf seinem Gesicht und unter Schluchzen und Lachen antwortete er: “ Es sind so viele! Ich war so einsam in meinem Dorf! Aber ich bin ja gar nicht allein!“

Der Gedanke, Homosexualität oder Transidentität seien längst in der Gesellschaft akzeptierte Aspekte normalen menschlichen Seins mag für manche Ecken Berlins gelten. Hier auf dem Land ist dies noch ein weiter Weg. Auf die Frage, ob sie sich trauen würden, sich in ihrem Sportverein zu outen, mit dem gleichgeschlechtlichen Partner Hand in Hand durchs Dorf zu gehen oder sich in ihrer Schule zu ihrer Transidentität zu bekennen, antworten Oberkrämer Jugendliche: „Da könnte ich gleich auswandern!“, “ Eher würde ich mich erschießen!“ oder „Meine Eltern würden sich vor den Nachbarn in Grund und Boden schämen!“.

Und auf die Frage, ob es in Oberkrämer Orte gibt, an denen man sich mit Gleichgesinnten treffen und so sein kann, wie man sich fühlt, antworten die Kids: „Dafür müssen wir nach Berlin fahren. Hier hätten wir Angst vor Anfeindung oder sogar Gewalt.“ Mobbing ist ein scharfes Schwert, wie nicht erst durch den jüngsten Selbstmord eines 11-jährigen Schulkindes in Reinickendorf deutlich wurde. Fast alle queeren Jugendlichen geben an, selbst bereits Opfer von Mobbing und Anfeindungen geworden zu sein. Kein Wunder also, dass gerade diese Kids besonders vorsichtig sind, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Den Jugendlichen geht es dabei nicht um eine Zurschaustellung ihrer Sexualität, oder darum, öffentlich zu machen, was in den privaten Bereich gehört. Es geht ihnen schlicht und ergreifend um die Akzeptanz ihrer Identität. Sie wünschen sich, so sein zu dürfen, wie sie sich fühlen. Willkommen zu sein als die Menschen, die sie sind.

Eine Regenbogenfahne zu hissen erfordert keinen Aufwand. Für die betroffenen Jugendlichen und sicherlich auch für viele queere Erwachsene ist sie jedoch ein wichtiges Zeichen: „Ihr seid nicht alleine und ihr seid ein willkommener und wichtiger Teil unserer Gemeinschaft! Genau so, wie ihr seid!“

Und auch für alle anderen Einwohner der Gemeinde ist der Regenbogen ein Symbol der Toleranz und Weltoffenheit, das die Gemeinde zu einem liebens- und lebenswerteren Ort macht. Hier darf man sich zuhause fühlen! Jeder! Hoffentlich braucht es dazu eines Tages keine öffentlichen Symbole mehr, sondern ist gelebter Alltag- aber bis dahin brauchen wir alle dann und wann einen Regenbogen vor dem Rathaus!!

  • ( „queer“ ist ein Sammelbegriff für alle Personen, die nicht der heterosexuellen Geschlechternorm entsprechen)
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